Rittergut und Brauerei

Industrie-Geschichte in Ehringsdorf

Erbaut um 1600

Karte mit Position von „Rittergut und Brauerei“

Braugasse und Hainweg 99425 Ehringsdorf

Braugasse 13 mit Herrenhaus (Braugasse 2), Gartenpavillon, Stall- und Lagergebäuden am Hainweg, Malzdarre und Sudhaus, Fass- Eiskeller (Hainweg 14) und Braukellern sowie Rosenhaus (Hainweg 6) mit Scheunen

Das Ehringsdorfer Rittergut wurde erstmals im 14. Jahrhundert schriftlich erwähnt.

Das älteste im Bestand bewahrte Gebäude auf dem Gelände ist das einstige Herrenhaus (Braugasse 2), das um 1600 errichtet wurde.

Einstiges Herrenhaus

Im Jahre 1836 kauft Carl Johann Christian Heydenreich das Ehringsdorfer Rittergut mit einer kleinen Einfachbierbrauerei, aber 1840 gilt als Gründungsjahr der Ehringsdorfer Ritterguts-Brauerei. Im gleichen Jahr starb er im Alter von nur 45 Jahren.

Brauereigelände um 1900
Brauerei heute – Ansicht vom Hainweg
Aufnahme der Belegschaft aus dem Jahr 1912.

Anfang des 20. Jahrhunderts umfasste die Belegschaft ca. 120 Leute – ein großes Unternehmen für die damalige Zeit. 1993 waren es noch 38 Angestellte, heute arbeiten ca. 10 Angestellte auf dem Gelände.

An den beiden Tischen im Vordergrund des Fotos sitzen Familie Heydenreich und die höheren Angestellten.

Bernhard *Richard*Heydenreich ist rechts neben dem Hund zu sehen. Er übernimmt das Rittergut 1856. Unter Einbeziehung eines alten Travertinsteinbruches auf dem Gelände ließ er die Gär-, Lager- und Eiskeller – mächtige Keller, die 2 Ebenen mit einer Höhe von bis zu 7 m umfassen, anlegen. Sie befinden sich z.T. unter dem Rosenhaus, dem Hainweg und den Brauereigebäuden. Auch weitere Gebäude (das Sudhaus, das Maschinenhaus, das Kesselhaus, einen 40 m hoher Schornstein und ein Eiskellergebäude am Teichgelände) ließ er errichten.

1900 wurde das Haus am Hainweg 6 (Rosenhaus) errichtet. Das zweigeschossige Wohnhaus im Landhausstil befindet sich erhöht auf einer natürlichen, durch eine Natursteinmauer eingefassten Terrasse.

Rosenhaus (links) und Brauerei (rechts der Straße)

Der Absatz des Bieres muss gut gewesen sein. Mit Kapitalanleihen von Richard Heydenreich wurde 1888 die Weimarische Straße bis zur Schule gepflastert, und er stiftete um 1900 die Friedhofskapelle Ehringsdorf (auch ein Denkmal). Zu dieser Zeit besaß die Familie Heydenreich 5 eigene Gaststätten und 3 Hotels, z.B. einen Gasthof in Belvedere.

Sein 2. Sohn, Paul Heinrich Heydenreich – er stützt sich auf der Aufnahme von 1912 auf seinen Stock – war 48 Jahre alt. Er bewirtschaftete das Gut zu dieser Zeit seit 20 Jahren.

Unter seiner Leitung erfolgten viele Bauarbeiten im Brauereigelände. Es entstanden die Malzdarre, das Sudhaus sowie das Maschinenhaus und die Fasshalle. Auch der Eiskeller (Hainweg 14), wurde in dieser Zeit errichtet – in unmittelbarer Nähe zu den Brauereiteichen, um das dort gewonnene Eis für die Kühlung des Bieres zu lagern. 1911 ließ er ein Wasserwerk errichten und übereignete es der Gemeinde, wobei die Brauerei Nutzungsrechte behielt.

Im Jahr der Fotoaufnahme ist er verstorben. Seine Frau Henriette Elisabeth (am linken Tisch sitzend und kleines Bild unten, hier 41 Jahre alt) führte die Brauerei nach seinem Tod und dem Tod ihres Schwiegervaters Richard lange Zeit mit den engsten Mitarbeitern bis zu ihrem Lebensende mit 64 Jahren weiter. Unter ihrer Leitung wurden zwei Brunnenanlagen, Flaschenfüllanlagen, ein neues Sudwerk und andere Neuerungen eingeführt.

Wilhelm Edmund Richard Heydenreich, der einzige Sohn von Paul und Elisabeth, ist auf der Aufnahme von 1912 links neben dem Hund zu sehen. Damals war er 17 Jahre alt. Zwei Jahre nach der Aufnahme des Bildes musste er ins Feld ziehen. Erst nach ihrem Tod seiner Mutter 1935 übernahm er die Leitung.

Anfang des 20. Jahrhunderts bestand der Fuhrpark der Brauerei aus einem Pferdefuhrwerk und zwei Motor-Lastkraftwagen, die mit Vollgummireifen und Kette ausgestattet waren. Die Brauerei errichtete ein Wasserwerk für den eigenen Betrieb, das anfangs auch von der Gemeinde Ehringsdorf genutzt wurde. 18 Jahre später wurde Ehringsdorf an die Wasserversorgung der Stadt Weimar angeschlossen.

Anfang des 20. Jahrhunderts wurde das Bier vorwiegend in Fässer abgefüllt, die an Weimarer, Jenaer und Erfurter Gastwirtschaften ausgeliefert wurden. Flaschenbier wurde in schwere, dickwandige Glasflaschen abgefüllt und in Blech- oder Holzkästen mit 25 oder 30 Flaschen im Handel verkauft.

Vor den Dreißiger Jahren wurden geprägte Flaschen in den Handel gebracht, später wurden Etiketten auf glatten Flaschen verwendet.

Während in den Dreißiger Jahren um die 20.000 Hektoliter Bier verkauft wurden, waren es Mitte der 40er Jahre schon das Doppelte. (1.000 Hektoliter entspricht in der heutigen Zeit 10.000 Bierkästen 20 × 0,5 l.)

Gebraut wurden z.B. Ritterbräu dunkel, Pilsner, Bockbier, Malzbier, Einfachbier und Märzen spezial.

Werkswohnungen befanden sich um 1930 in der Ziegelei und in der Bäckergasse.

Bis 1940 wurde eine eigene Mälzerei im markanten turmartigen Gebäude mit Schornstein betrieben.Später wurde das Malz zugekauft. Der aufwändige Prozess der Malzherstellung – Braugerste wird zum Keimen gebracht, danach getrocknet und geröstet – wurde ausgelagert.

Mit dem Einmarsch der Russen nach dem Ende des 2. Weltkrieges ging Wilhelm Heydenreich nach Bayern. Sein Sohn, Paul Randolf Heydenreich, blieb – allen Warnungen zum Trotz. Mit seinen 23 Jahren fühlte er sich verantwortlich für den elterlichen Besitz, das Personal und das Vieh. Er wurde von russischen Offizieren verhaftet, es gelang ihm jedoch die Flucht. Weil er die Offizierslaufbahn im Westteil Deutschlands einschlug, blieb ihm zu DDR-Zeiten der Besuch von Ehringsdorf verwehrt. Auch seine Bemühungen um Rückübertragung des elterlichen Besitzes gingen ins Leere.

1945 wurde der Brauereibetrieb unter sowjetische Militärverwaltung gestellt.

Im Jahre 1946 konfiszieren die Behörden das Rittergut im Zuge der Bodenreform. Großgrundbesitzer wurden enteignet und das Land an Landarbeiter, Bauern, Umsiedler, Arbeiter und Handwerker verteilt. Es wurde versucht, Wilhelm Heydenreich eine Mitgliedschaft in der NSDAP nachzuweisen.

Ein Teil der Neubauern, die Land der ehemaligen Brauereibesitzer erhielten, ließen sich in Neuehringsdorf nieder. Einer der Neubauernhöfe dort steht ebenfalls unter Denkmalschutz.

1947 – noch vor der Gründung der DDR – wurde die Brauerei der Konsumgenossenschaft Weimar angegliedert. Die Brauerei firmierte nun unter dem Namen „Konsumbrauerei Weimar-Ehringsdorf“. Der Name „Rittergutsbrauerei“ durfte nicht mehr geführt werden.

In den 1950er Jahren entstand der Slogan „Trumpf ist Ehringsdorfer“, dargestellt mit 4 Skatkarten – diese Werbung setzt sich bis in die heutige Zeit fort.

In den späten 50er Jahren erbrachte die Brauerei einen besonderen Kundendienst: mit einer Eismaschine ausgerüstet, lieferte die Brauerei Eis an Haushalte aus, das zur Kühlung verwendet wurde. Kühlschränke gab es damals kaum.

Mit der Wende begannen unruhige Zeiten für die Brauerei: Neben dem Abriss einzelner Gebäude, verschiedenen Übernahmen, Festnahmen wegen Steuerhinterziehung, Konkurs einer Übernahme der Brauerei durch die Mitarbeiter und endete der Brauereibetrieb 1995 nach mindestens 155 Jahren.

1999 erwirbt die Familie Wagner aus Pößneck, die auch die dort ansässige Rosenbrauerei besitzt, das Brauereigelände. Das Interesse der ehemaligen Ehringsdorfer Kundschaft ist so groß, dass im Jahr 2002 mit dem Bau eines neuen Sudhauses mit Gär- und Lagertankabteilung begonnen wird.

Seit dem Frühjahr 2003 wird in Ehringsdorf wieder Bier gebraut, natürlich nach Originalrezepturen. Im Jahr 2007 besinnt man sich auf seine Wurzeln und stellt nach über 70 Jahren das bernsteinfarbene »Ritterbräu« wieder her.

Seit Jahren schon ist die Ehringsdorfer Brauerei fester Bestandteil des Weimarer Zwiebelmarkts, dem größten Volksfest in Thüringen. Nicht wegzudenken ist der Brauerei-Ausschank auf dem Weimarer Marktplatz aus dem Ehringsdorfer Riesenfass, das schon 1892 für den Festumzug zur Goldenen Hochzeit von Großherzog Carl Alexander und seiner Frau Sophie gebaut wurde.

Ein kleines Brauereimuseum kann auf Anfrage besucht werden. Auch Führungen durch die Brauerei mit anschließenden Kostproben sind möglich.

Literatur und Quellen
  • Rainer Müller et al: Kulturdenkmale in Thüringen 4 Bd. 2: Stadt Weimar – Stadterweiterung und Ortsteile, E. Reinhold Verlag, Altenburg 2009. ISBN 978-3-937940-54-0, S. 965–968.
  • website www.ehringsdorfer.de, abgerufen 13.04.22
  • Helmut Geiger: Bier in Weimar, Eigenverlag Helmut Geiger, Guttenberg
  • wikipedia-Eintrag über Brauerei Weimar-Ehringsdorf, abgerufen 02.06.22 de.wikipedia.org/wiki/Brauerei_Weimar-Ehringsdorf
  • Kleines Museum in der Brauerei Weimar-Ehringsdorf